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AutorenbildCornelia Egg-Moewes

Weil Gott in tiefster Nacht erschienen - Predigt am Weihnachtstag 25.12.2019 mit Bildkarte


Weil Gott in tiefster Nacht erschienen,

kann unsre Nacht nicht endlos sein. (EG 56)


I. Der Riss geht weit nach oben.

Er hat die Säule aufgebrochen.

An ihrem Fuß ist sie ganz auseinandergerissen.

Was eigentlich Stabilität bedeutete, ist zerbrechlich geworden.

Was anfangs stark und tragend dastand, wirkt jetzt zerstört.


Viele sehen auch unsre Welt heute so.

Diese Erde und ihre Ordnung fühlen sich instabil an.

Auf ihre bleibende Stabilität ist kein Verlass mehr.

Der Riss geht weiter nach oben, als wir erkennen können.

Und am Grund des Seins klafft das Tragende auseinander.

Auch Weihnachten kann nicht darüber hinweg täuschen,

dass es für Menschen schwer ist, im Leben Halt zu finden.

Verlässlichen Halt. Bleibendes.


Aus Spareinlagen mit Zuwachs wurde Negativzins.

Aus Arbeitsplatzgarantie wurde befristeter Vertrag.

Aus Heimat und Natur wurde bedrohter Lebensraum.

Aus Miteinander wurde selbstbezogenes Abschotten.


So kann man unsre Welt sehen.

Auch an Weihnachten.

Diese Art auf sie zu blicken, ist allerdings nicht neu.

Diese Welt war noch nie heil.

Sie hatte immer Risse. An mancherlei Stellen.

Und für viele Menschen ist nicht nur die Welt um sie herum so.

Sondern auch das eigene Leben.

Ein Gefühl des Zerrissenseins. Mit der ganzen Existenz.


II. Doch: Wäre die Welt heil, - wir säßen nicht hier und würden feiern.

Mehr noch: Nur weil sie Risse hat, gibt es dieses Fest.

Und Weihnachten heilt die Risse auch nicht.

Wir werden sie nach diesen Tagen

genauso groß und bedrohlich wieder entdecken.

Seit 2000 Jahren verändert sich daran nichts.

Selbst diese Erkenntnis reißt etwas in uns entzwei.


Dabei hätte auch ich gern, dass wir jedes Weihnachten

ein kleines bisschen näher dran wären an einer besseren Welt.

Und am Heil, das uns versprochen ist und von dem wir ja heute erzählen.

So ein kleines bisschen wäre doch für uns alle ermutigend.

Wäre auch wirklich nicht zuviel verlangt!

Wenigstens einen winzigen Schritt. Damit wir wissen, es geht aufwärts.

Und eben nicht in Richtung Zusammenbruch.


Nein, Weihnachten gibt uns diese Sicherheit nicht.

Weihnachten übertüncht nicht, wie es um uns steht.

Weihnachten macht vielmehr sichtbar, wo es bröckelt.

Und wo die Schwachstellen liegen.


Dann doch lieber diese Tage überspringen?

Wenn sie eh nichts zum Positiven verändern in unsrer Welt.

Warum dann feiern?

Lügen wir uns nicht in die Tasche mit der Botschaft,

dass Gottes Heil gekommen ist?

Und mit Liedern, die davon singen:

„Weil Gott in tiefster Nacht erschienen“?


III. Wäre die Welt heil, wir wären heute nicht hier.

Mit all unsren Lasten, die wir mit uns herumschleppen.

Und die wir nicht loswerden. Die zu uns gehören. Uns ausmachen.

Dich und mich.

So wie wir heute hier sind. In aller Zerbrochenheit, mit all unsren Rissen.

So feiern wir. Weihnachten.


Und Weihnachten heißt: Gott stellt sein Licht in unsre Zerbrochenheit hinein.

Nicht dort, wo alles klappt, alles easy ist.

Nicht dort, wo eine Feier als hipp und angesagt gilt.

Nicht dort, wo das Schenken Geschäftsbeziehungen festigt.


Nein. Gott will im Dunkel wohnen. (EG 16,5)

Er stellt sein Licht auf den Boden unsrer Zerbrochenheit.

Dort, wo die Nacht am tiefsten und der Riss am bedrohlichsten ist.

Dort hinein kommt heute sein Licht.

Klein und bedroht.


Wie das Kind in der Krippe und kurze Zeit später auf der Flucht.

So kommt Gott in diese Welt.

So kommt Gott zu dir und zu mir.

Er will im Dunkel wohnen - und hat es doch erhellt!


Davon singt noch heute einer:

Einer, der in tiefster Todesnacht lag und

der dann die Strahlen gesehen hat,

die ihm dort hinein das Leben brachten. (EG 37,3)


Und Paul Gerhardt weiß: Ein Leben ohne Risse wird es nicht geben.

Aber in den Riss deines Lebens stellt Gott heute sein Licht.

Dort gehört es hin.

Dort macht es Sinn.

Für dich und mich. Und für diese ganze zerrissene Welt. Amen.


(Bildkarte: Foto R.Kemmether, hg. Gottesdienstinstitut Nürnberg)

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