Eine meiner besten Lehrstunden erhielt ich in einem Dessous-Geschäft.
Schüchtern betrat ich zum ersten Mal den Laden. Ich hatte gerade erst begonnen, in meinem Beruf zu arbeiten. Mein Budget sah keine unnötigen Sonderausgaben vor.
Nur mal schauen.
Die freundliche Verkäuferin strahlte Ruhe aus und ich wurde mutiger. Sie erkannte mit einem Blick meine Größe und zeigte mir ein paar schöne Teile. Ganz selbstverständlich erklärte sie, worauf es ankommt. Und wie wichtig es sei, was du drunter trägst.
„Wenn mir mal wieder einer so unfreundlich kommt, dann bin ich mir sicher: Der trägt völlig unbequeme Unterwäsche!“
Ich musste lachen. Wahrscheinlich war mein Lachen zu laut. Die anderen Kunden drehten sich jedenfalls schon um.
„Doch“, lachte die Verkäuferin unbeirrt zurück. „Bei denen zwickt´s dann überall. Das hält doch keiner den ganzen Tag aus. Da fühlst du dich einfach nicht wohl und wirst unleidlich! Ich möchte nicht wissen, wieviele darunter zu leiden haben.“
Nein, das war keine raffinierte Verkaufsstrategie. Das hatte sie nicht nötig. Sie lebte, wovon sie überzeugt war.
„Schauen Sie, da verändert sich gleich die ganze Körperhaltung. Und was Sie zu sagen haben, wirkt viel freundlicher. So hat der liebe Gott sich das gedacht.“
Crash-Kurs liturgischer Präsenz. Ausgerechnet hier. Und ich lernte: Auch eine Dessous-Verkäuferin hat ihr Evangelium.
Die Misanthropen dieser Welt haben seither keine Chance. Manche von ihnen wundern sich, warum mich ihr Verhalten amüsiert. Ich hätte da ja einen Tipp für sie…
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