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AutorenbildCornelia Egg-Moewes

Preacher Poetry "Glaube und Zweifel in einer WG"

Aktualisiert: 5. März 2020

Sonntag Septuagesimae 9.2.2020 Erlöserkirche (frei nach einer Idee von Manuel Spohn)


Mit dem Propheten Daniel würde ich gerne - wie im neuen Wochenspruch - sagen:

Wir vertrauen auf deine große Barmherzigkeit, Gott (Dan 9,18b).

Aber - wie viele andere auch - tue ich mir manchmal schwer.

Anders als bei Daniel, wo Glauben als Teil von uns so selbstverständlich klingt. Denn:


I. Sie wohnen beide in mir: Glaube und Zweifel. Und wie ich das seh´:

Sie teilen sich eine WG!

Das Geschirr, das der eine spült, lässt der andere aber stehen. Was mein Glaube weiß, will der Zweifel nicht sehen.

Während der eine sich also auf die faule Haut

haut, kauft der andere ein, bringt den Müll raus,

sorgt dafür, dass das Lebenshaus

lebenswert bleibt.

Zweifel putzt nie, lässt die Haare im Abfluss.

Und Glaube überlegt sich, ob er nicht doch ausziehen muss.

II. Noch wohnen Glaube und Zweifel beide in mir.

Und ich frag mich manchmal, wo das wär´.

Gibt´s da Daten? So wie bei GoogleMaps Koordinaten,

die sagen:

Diese WG wohnt oberste Rinde, seitliche Stirn.

Das führt in den Kopf, weil der Glaube braucht den Verstand.

Wie schon Kirchenvater Augustin

lehrte: Er will den Sinn

verstehen hinter diesem Her und Hin.

Und dann hat Glaube etwas mit sehen zu tun.

Und nicht eher zu ruhn

bis ich verstehe:

Zusammenhänge, die ich erkenne.

Und Theorien, die ich erklärend benenne.

Und das nicht nur als meinen Job.


Aber da ist auch er schon: mein Zweifelfreund.

„Guten Morgen unterm heilgen Licht!

Ich hab auf dich gewartet!“

Und schon startet

er und legt mir seine Einwände vor: „Das glaubst du doch wohl selber nicht:

Gottes Allmacht? – Fällt eher in Ohnmacht.

Jungfrauengeburt? – Mmh, so absurd.

Dreieinigkeit? – Echt jetzt, brauchst du diese Kleinigkeit?“


III. Ok, ich muss woanders weitersuchen.

Im Kopf herrscht Chaos,

da kenne ich mich nach solchem Generve nicht mehr aus!

Vielleicht: eine Etage tiefer? – Im Herzen! Denn Glaube: das ist doch Gott spüren, ihn fühlen.

Ja, fühlen, dass er mich trägt.

Manchmal will ich einfach nur geborgen sein.

Und hören, dass er mich liebt

und mir bis zum Ende vergibt!


Doch auch hier zieht Mietnomade Zweifel ein und sagt: „Kam lange schon kein Liebesbrief mehr.

Einer, der es wagt,

dein Herz zu erwärmen, das so oft klagt.

Hör zu: Er treibt mit dir Spott.

Wo ist er denn, dein Gott?

Wann endlich sagst du:

Lass mich mit diesem Vertrauenszeug in Ruh!?“


IV. Aber noch suche ich weiter, in mir. Und mein Verstand

überlegt: Vielleicht wohnt mein Glaube in meiner Hand.

Im Gutes tun

und nicht eher ruhn,

bis allen geholfen ist.

Also Liebe verschenken,

an andere denken.

Nicht gleichgültig bleiben,

schließlich soll mein Glaube sichtbar werden!

Ja, das wäre überzeugend nach außen.

Und die Welt braucht solche Zeichen!


Doch: wie schnell wohnt Zweifel auch schon da und lästert:

„Hm, meinst du, das bringt überhaupt was?

Allen kannst du sowieso nicht helfen. Bei so viel Hass.

Leid. Not. Tod. Schau sie dir an, sie lassen sich nicht mal zählen:

Die hungernden Kinder, die hungernden Seelen.“


Dann gleicht mir das Helfen einem Hundespaziergang:

Ich hole beim Laufen aus der Wiese den Haufen,

und auf diese Weise trete ich in eine andere Sch…

Natürlich mit Profilsohle!

Dabei dachte ich, es wäre klar,

dass Glaube keine Privatsache war,

und eine Wiese auch für die Kinder zum Bolzen.

Und ich ärger mich, dass der Zweifel die Oberhand kriegt.

Weil eine WG ist doch kein Kampfplatz, wo einer die Macht abwiegt!

Ach, manchmal bin ich es leid.

Soll es doch selber sehen, wo es bleibt,

dieses Vertrauen, das sich Glaube nennt.

Als wollte es nicht alleine bleiben. Und vielleicht rennt

der Zweifel deshalb hinter ihm her.


V. Glaube und Zweifel. Sie wohnen leider zusammen in mir.

Manchmal, da hätte ich gern Post von Gott:

Adressiert an Glaube und Zweifel, wohnhaft in 84048 - er weiß es: überall in mir.

Und darin müsste per Klartext stehen:

Er schmeißt den Zweifel raus!

Dann würde ich ein riesen Plakat malen:

Gott hat Eigenbedarf angemeldet.

Und in ganz Mainburg würde es widerhallen:

Zum nächsten 1. zieht er bei mir ein. Aber, ihr wisst es: So wird es leider nicht sein.

Glaube und Zweifel wohnen auch 2020 beide in mir.

Oh, dass mein Sinn ein Abgrund wär

und meine Seel ein weites Meer.

Bloß eines bitte nicht:

Nicht noch mehr Platz für meinen Zweifel.

Der macht sich so schon gerne breit.

Und mir wird klar: Das Vertrauen braucht mehr Selbstbewusstsein!

Es redet sich andauernd klein.

Dabei kann es für mich wie die rote Schnur

durch das Labyrinth des Lebens sein.

Und bevor die reißt, verordne ich ihm jetzt eine Aufbaukur!


VI. Womöglich hilft da eine ganz andere Sicht.

Vielleicht - und ich will jetzt, dass ihr Trauergeister weicht! -

brauche ich keinen der beiden entfernen?

Jetzt bin ich schon so alt, aber das will ich noch lernen!

Kann es sein, dass sie gemeinsam eine Chance haben,

weil beide sich brauchen mit ihren Gaben?

Und am Ende beide zusammen gehören?

Das eine nur mit dem anderen. Der Glaube die Rose, und der Zweifel die Dornen.

Und um die Schönheit des einen zu sehen, braucht es den andern. Hach! Ich komme voran in diesem hin und her Wandern.

Zumindest: Das Selbstbewusstsein des Glaubens würde wachsen. Denn:

Der Zweifel nervte nicht ständig gegen das Vertrauen

und machte es klein,

sondern könnte sogar Bestandteil des fruchtbaren Bodens sein,

auf dem Vertrauen ganz langsam zu blühen beginnt.

Von mir aus in allen, in bunten Farben.

Denn es braucht nicht nur hell zu sein.

Und Glaube bräuchte gar nicht alle Zweifel zerstreun.


Ihr kennt das vielleicht - wie ich - vom Beten:

Da lege ich vor Gott, was mich beschwert.

Und dann plötzlich zweifle ich: Was, wenn der überhaupt nicht hört?

Und im Gegenzug kommt der Gedanke:

Hey, du hast es doch selber schon oft erlebt,

dass da mehr ist, als was ihr auf den ersten Blick seht!

Und der Zweifel nickt mir aufmunternd zu und sagt: Ich halte dich wach,

weil der Glaube sonst schläfrig wird;

und damit er kapiert,

dass nichts selbstverständlich passiert!

So könnten sie eine echte Chance haben,

die beiden, mit ihren krass unterschiedlichen Gaben.


Und hier in der Kirche finde ich dafür das passende Bild:

Der Zweifel, der könnte das farbige Fenster sein.

Und der fängt das Licht ein,

jenes Licht, das ich mit Glauben mein´.

Und alle können es sehen: Dass erst die bunte Scheibe die Schönheit des Lichts ans Licht bringt!

Wenn ich also schreie: Mein Gott, was soll das? Ich kann dir so nicht vertraun!

Dann seh´ ich nicht schwarz, sondern in allen Facetten.

Alle Farben hält mein Zweifel dem Licht entgegen.

Und ihr seht´s bei unsern Fenstern hier:

Da reicht schon ein kleiner Lichtstrahl.

Ein Flimmern von Vertrauen - ja, das reicht mir!


Und ich stell mich damit vor Gott und halt es ihm hin.

Es ist dann alles, was ich bring.

Mehr hab ich oft nicht,

als dieses winzige kleine Licht.

An trüben Tagen nicht mal das. Da hab ich nur die Zweifel-Farben,

die ich ihm reich. Aber ich kann euch sagen:

Sie verändern sich vor Gott. Ich kann nicht erklären wie;

seine Hände nehmen sie

als ob sie das Schönste wären, was er je bekam.

Und der Glaube in mir freut sich – es ist der Beginn von Vertrauen.

Dann tut es mir gut, mit euch zu feiern und auf euch zu bauen.

Denn wie die farbigen Fenster hat eine Gemeinde viele Teile,

Die eine neben dem andern. Und nur gemeinsam

hält das bunte Glas im Rahmen.

Es wäre die Geschichte einer großen WG,

die wir einst von Vätern und Müttern im Glauben bekamen.

VII. Am Ende, da gleicht alles einer weiten Reise.

Wie gut, dass ihr da seid. Denn ich such noch die Gleise.

Der Glaube, der Zweifel, die kommen langsam an.

Und ja, beide gehen mit und wohnen in mir.

So weit bin ich jetzt und akzeptier´:

Im Glauben werde ich immer auch zweifeln.

Aber gleichzeitig will ich danach greifen:

Durch das bunte Fenster des Zweifels dringt das Licht.

Und ich vertrau darauf: Auch wenn ich dieses Licht des Glaubens mal nicht sehn

kann, es wird weitergehn,

weil auch andere für mich einstehn.

Ja, sogar im Dunkeln

wird da ein bisschen was funkeln

und sagt mir leise: Gott verlässt dich nicht.


Ich halte fest: Im Glauben werde ich immer auch zweifeln.

Doch was mir Mut macht: Auch das andre bleibt

- nennt es von mir aus Gottes Barmherzigkeit:

Das Vertrauen mag winzig klein sein,

aber es reicht, dass wir hier sind, und wie Daniel beten,

und heute erleben, dass andere Christen mit uns vor Gott treten.

Und dieses Miteinander trägt.

Jetzt bin ich also soweit und öffne den beiden

die Tür,

und sie bleiben.

Es ist ok: Glaube und Zweifel wohnen weiter in mir.


VIII. Und an manchen Tagen wie heute,

da frag ich meine Mitwohn-Leute:

Hört ihr das? Da, laut und klar:

Es klopft an der Tür!

Und ungeplant, weil unverfügbar

besucht uns Gottes Barmherzigkeit.

Von Zeit zu Zeit

lädt sie sich ein. Nicht irgendwo. Sondern in mir und in dir.

Und sie grüßt uns: Selig seid ihr! Und: Friede mit dir!

All die Sachen, die unsern Glauben selbstbewusst machen.

Weil er nichts leisten muss. Es gleicht dem Kuss,

den du bekommst, weil einer dich liebt.

Einfach nur weil es dich gibt.

Die Barmherzigkeit ist wie ein Gast, der das Büffet gleich selber mitbringt,

und alle werden satt. Sogar der, der - wie der Zweifel - sein Leben lang

nicht glauben kann,

dass es solche Gäste überhaupt gibt.

Auch er ist geliebt

und darf sich bedienen.


Und ganz zum Schluss, bevor wir gehen,

wird sie uns segnen und wir wissen: dieser Segen, dieses Versprechen,

das bleibt

auch morgen noch in uns von Gottes Barmherzigkeit.

Und die Bibel erzählt uns, dass sie die Treue meint,

mit der wir rechnen

können wie damals Daniel, weil das die Art ist, wie Gott uns liebt

und jederzeit umgibt.

Und wie ich das jetzt seh: Diese WG

aus Glaube und Zweifel in dir und in mir,

die wohnt zuallererst in ihr!

In Gottes Barmherzigkeit wohnen wir alle.

Mit Glaube und Zweifel, mit Farben und Schönheit,

mit Liebe und Leid.

Und glaubt mir: das ist es, was bleibt.

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