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  • AutorenbildCornelia Egg-Moewes

Manchmal hast du keine Wahl - Ansprache am 9.8.20 zu Jeremia 1,4-10

Aktualisiert: 10. Aug. 2020



I. Der junge Mann hat keine Wahl.

Seine Geschichte beginnt, als Gott zu ihm sagt:

„Noch bevor ich dich, Jeremia, im Leib deiner Mutter entstehen ließ, hatte ich schon meinen Plan mit dir. Und noch ehe du aus dem Mutterschoß gekommen bist, hatte ich bereits die Hand auf dich gelegt. Ich habe dich zum Propheten bestimmt.“

Gegenrede.

Die Antwort lautet „Nein“. Nein, Gott. So geht das nicht!

Du kannst einen Menschen nicht einfach zwingen, für dich zu arbeiten.

Was soll daraus werden? Meinst du, er wirkt überzeugend als Prophet, nur weil er dir gehorcht?

Außerdem kann ich nicht glauben, dass dir der Mensch und sein persönliches Glück so völlig egal ist.

Ich kenne Menschen, deren Geschichte ähnlich beginnt. Die gezwungen wurden, einen bestimmten Weg einzuschlagen. Weil die Familie es so wollte, und die Eltern darüber bestimmten:

Junge Frauen, die kein Abitur machen durften, weil das ein Mädchen nicht braucht.

Junge Männer, die das Geschäft übernehmen mussten, weil der Vater und der Großvater das auch schon gemacht haben.

Geh, wohin ich dich sende, und tu, was ich dir auftrage!

II. Nein! Niemand hat das Recht, so über jemanden zu bestimmen!

Gott macht es dennoch.

Jeremia versucht, sich zu wehren. Er will kein Prophet sein. Und er sagt:

„Ach, du mein Gott! Ich kann doch gar nicht reden, und ich bin noch viel zu jung!“

Ja, ich stehe auf Jeremias Seite. Und unterstütze ihn: Wehr dich! Sag Nein!

Es ist richtig und wichtig, Nein sagen zu lernen.

Aber Gott lässt nicht locker. Es ist ein ungleicher Kampf. Gott beharrt mit Autorität:

„Sag nicht: Ich bin zu jung! (Sondern:) Geh, wohin ich dich sende, und verkünde, was ich dir auftrage!

(Und, das noch:) Hab keine Angst, wenn ich dich zu den Menschen schicke,

denn ich bin bei dir und schütze dich. Das versprech ich, der Herr.“

Immerhin. Gott merkt, dass der junge Jeremia Angst hat.

Und zeigt jetzt, worum es ihm geht: Er fordert nicht nur, sondern er verspricht!

Er sagt: „Ich bin mit dir und schütze dich! Und das sage ich als der, der dich beauftragt. Du bist nicht allein. Ich, dein Gott, helfe dir.“

Sogar noch in dieser Zusage klingt die Autorität Gottes durch. Sein Schutz duldet nicht, dass die Angst seinen Propheten lähmt. Sie muss weichen. Und sie wird es auch.

Denn jetzt geschieht das Entscheidende: Gott redet nicht nur. Er lässt den jungen Jeremia am eigenen Leib erleben, wie eng sich Gott mit ihm verbunden fühlt:

Gott streckt seine Hand aus, berührt Jeremias Lippen und sagt:

„Ich lege meine Worte in deinen Mund.

Ich sorge dafür, dass du weißt, was du tun und sagen sollst.“

Damit beruft er ihn zu seinem Propheten.

Das ist im Rückblick ein längerer Weg. Jeremia setzt sich mit Gott auseinander, prüft, wie es ihm damit geht, und überlegt die Folgen.

Und Gott wiederum trägt ihn durch die Fragen und Zweifel hindurch und sagt:

„Hab keine Angst, ich bin bei dir und schütz dich.

Ich berühr deine Lippen mit meiner Hand. Und leg meine Worte in deinen Mund.“

Enger kann ein Mensch in diesem Leben mit Gott nicht verbunden sein.

Es gleicht einer Symbiose. Und Gott geniert sich nicht zu zeigen: Er braucht den Menschen!

Am Ende bewirkt Gottes Wort, was es sagt: Jeremia bekommt die Kraft und wird die Berufung annehmen.

Ist damit alles gut?

Leider nein. Jeremia wird viel leiden. Er zerbricht fast an seiner Aufgabe. Manches an ihm deutet bereits auf Jesus hin, auf den noch größeren Propheten und auf dessen Leiden.

So wird der junge Prophet Jeremia zu einem Hinweiser, wohin Gottes Weg zielt.

Und darauf, wie Gott an uns Menschen handelt: Er schickt auf den Weg, und er hilft hindurch.

Aber es bleibt rätselhaft, warum diese ganz besondere Nähe zu Gott gleichzeitig einem Menschen so großes Leid bringen kann. In unsrer Zeit stehen dafür Schicksale wie Dietrich Bonhoeffer oder Edith Stein.

Auch sie haben sich von Gott berufen, und dann im Leid nicht von ihm abbringen lassen.

Für mich persönlich sind sie damit Hinweiser auf übermenschliche Kraft; und Zeugin für das, was Gott ihnen für ihre Aufgabe mitgibt.

III. Und wo stehen wir bei dieser Geschichte?

Sie und ich, wir müssen - Gott sei Dank - keine Prophetenaufgabe wie Jeremia übernehmen.

Aber es geht um nicht weniger als unser Leben.

Und um Aufgaben, die sich uns heute stellen, ohne dass wir sie uns ausgesucht haben. Bei manchen dieser Aufgaben im Leben hadern wir, wie Jeremia. Auch mit Gott: Warum muss das jetzt sein? Warum das auch noch? Ich kann das nicht! Und, Gott, ich will das nicht.

Manchmal erlernen wir daran, Nein zu sagen.

Aber manchmal scheint es für uns so, als ob Gott mit seiner ganzen Autorität darauf beharrt und sagt: Doch, das ist jetzt auf deinem Lebensweg der nächste Abschnitt.

Es gibt diese Momente, in denen wir einfach keine Wahl haben. Wo wir am liebsten davonlaufen würden. Wo es kein Hintertürchen gibt. Wo wir durch müssen. Obwohl wir - wie Jeremia - nicht wissen, ob es je besser wird.

Dann fühlen wir uns unfrei und nah am Resignieren. Vielleicht sogar nah dran, den Glauben an einen liebenden Gott zu verlieren.

Und dann finden wir hier unsren Ort in dieser Geschichte: Direkt an Jeremias Seite. Und ganz nah an seinem Ohr; dort, wo wir nochmal genau hinhören, was Gott seinen Menschen zu allen Zeiten sagt:

„Hab keine Angst, denn ich bin bei dir und schütze dich. Das sage ich als der, der dich für deinen Lebensweg beauftragt. Du bist nicht allein. Ich, dein Gott, helfe dir.“

Darin wird die Berufung des Jeremia bis heute lebendig:

Gott beruft uns, ihm zu vertrauen. Und er beruft uns, zusammen mit Jeremia und allen Gottsuchenden zu beten: „Hilf du mir, Herr, so ist mir geholfen!“ (Jer 17,14) Amen.

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