Ansprache zu Mt 21,9 und Sach 9,9 am 1. Advent 2020
Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!
I. Die Steine reflektieren das Licht noch heller,
als die Reiseführerin sie beschrieben hatte.
Ich stehe am Jerusalemer Stadttor.
Und frage mich, ob ich damals mitgerufen hätte.
Das „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“
Hosianna - das heißt „Hilf doch!“
Hilf doch!, schreien sie. Wir brauchen dich und
trauen dir zu, dass du uns helfen kannst!
Oder hätte ich später das „Kreuzige!“ mit ihnen geschrien?
Enttäuscht und verbittert, dass sich nichts geändert hat.
Noch immer dieselben Besatzer im Land.
Noch immer kein Durchgreifen des Himmels spürbar.
Noch immer diese Pandemie.
Und andere Krankheiten, die die Menschen entsetzlich plagen.
„Hilf doch!“ rufen sie dem Mann auf dem einfachen Lasttier zu.
Befrei uns, lass die Verheißungen der Alten endlich wahr werden!
Der Weg ist geschmückt und die Fans stehen Spalier.
Sie sind glücklich, dabei sein zu können,
wenn ihr Idol endlich nahe kommt.
Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!
Sein Ruf verbreitet sich auch ohne Medienhilfe im ganzen Land.
Sein Heilen der Kranken, sein Reden, wie Gott sich liebevoll zuwendet,
sein ganzes Leben lässt die Menschen auf mehr hoffen.
II. Der tiefe Fall vom Idol zum Anti-Helden vollzieht sich schnell.
Jesus ist in Jerusalem angekommen und ahnt bereits,
dass dies das Ende seiner Reise sein wird.
Jetzt setzt er noch Zeichen für die Menschen.
Z.B. den Esel und sein Junges, vorausgesagt beim Propheten Sacharia.
Kein hohes Ross, auf dem der König erhaben in seine Stadt einzieht.
Ein Symbol auch auf Jesus selber.
Ein Zeichen, wie er seine Aufgabe versteht:
Er wird zum Lasttier für uns.
Der König der Welt wird zum Knecht der Menschen.
Seit seiner Geburt im Stall lebt er die Niedrigkeit.
Die wählt Gott, um uns in der Tiefe zu begegnen.
Nicht von oben herab, nicht gnädig eine Audienz gewährend.
Sondern er kommt zu uns, bereit, unsre Lasten mitzutragen.
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir
sanftmütig und reitet auf einem Esel.
III. Ich stehe am Stadttor von Jerusalem, dieser besonderen Stadt,
und stelle mir vor: Jesus kommt.
Wie damals: Siehe, dein König kommt zu dir.
Er kommt. Und ich stehe da.
Hosianna!
Hilf, Herr, meines Lebens! Dass ich nicht vergebens hier auf Erden bin.
Tief in mir drin weiß ich:
Da wäre einiges, das sich ändern könnte, ändern müsste…
Hosianna - Du bist doch der Herr meines Lebens.
Oder diktieren am Ende doch
Sorgen und Probleme mein Dasein?
Weil ich oft nicht einordnen kann,
was wesentlich und was unwesentlich ist.
Und mich Dinge Kraft kosten, die es gar nicht wert sind,
dass ich mich sorge.
Oder bestimmt die Selbstsucht über mein Leben?
Der Blick nur auf mich selbst gerichtet.
Und die anderen um mich herum vergessen.
Dabei weiß ich und hab´s erfahren,
dass das Leben nur gemeinsam gelingt.
IV. Du Ziel meines Lebens.
Jetzt kommst du und stehst vor mir.
Ich bin nicht darauf vorbereitet.
Obwohl wir wieder Advent feiern und uns auf dein Kommen einstimmen.
Es kommt mir vor, als ob du wie ein spontaner Besucher da bist,
der sich vielleicht doch besser hätte ankündigen sollen.
Denn mein Alltag in diesem seltsamen Jahr
hat inzwischen wenig Spielraum für Unvorhergesehenes.
Wie soll ich dich empfangen? Und wie begegn ich dir?
Das „Hosianna“ habe ich auf den Lippen.
Aber meine Seele ist müde geworden in diesen Wochen der Unsicherheit.
Meine Hände aufgerissen vom Desinfizieren.
Meine Füße lahm vom Abstandhalten.
Hosianna - Hilf doch!
Und dann ist es ist der Esel, der mir hilft,
und ich die Zeichen sehe:
Wie tief du dich herunterbeugst.
Wie du mir mit Sanftmut begegnest.
Wie das Hilflose in mir aufhört, bitter zu schmecken.
Wie deine Geduld mich freundlich anschaut.
Genau so, wie´s der Prophet angekündigt hat.
Hosianna: Hilf meinem Unglauben!
Ich will glauben.
Dass du mein „Hilf doch!“ schon längst gehört hast.
Und zu mir sagst: „Gib mir deine Last!“
Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!
Amen.
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