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  • AutorenbildCornelia Egg-Moewes

Berufen zur Hoffnung (Erntedank 2020 / Eph 1,18)

Aktualisiert: 6. Okt. 2020




Sie habe „Zeitwohlstand“, schreibt sie mir in diesem Corona-Frühling.

Zeit-Wohlstand.

Erst staune ich. Und dann freue ich mich für sie: Da hat jemand ausreichend Zeit. Mehr sogar, als sie braucht. Was für ein seltener Luxus.

In ihrer Wortschöpfung schwingt die Dankbarkeit mit. Und ich bin sicher:

In diesem Jahr hat sie in ihrer ganz persönlichen Ernte-Scheune viel davon gesammelt.

Wenn Sie jetzt vom Herbst aus auf das bisherige Jahr zurückblicken:

Welche Ernte haben Sie in Ihre ganz persönliche Scheune eingebracht?

Nehmen wir uns ein paar Momente, um uns in Ruhe in ihr umzuschauen, in unsrer inneren Scheune. - Musik -

Wir haben unsre Scheunen gefüllt mit ganz persönlicher Ernte:

* Die einen haben Zeitwohlstand ernten können. Und sie genießen noch im Rückblick die viele kostbare Zeit für sich, die Familie, die Enkelkinder, überhaupt für schöne Dinge wie die Kunst, den eigenen Garten und die Natur.

* Einige haben mir erzählt, dass das Leben um sie herum ruhiger geworden ist. Und dass ihnen diese Langsamkeit wohl tut. Die Hektik hat nachgelassen. Körper und Geist kamen zur Ruhe. Und sie sind dankbar, dass sich die Risiken einer Pandemie für sie in Grenzen hielten.

* Für andere war die Zeit der Distanz nicht so leicht zu ertragen: Keine Besuche, keine Umarmung. Es fehlte ein wichtiger Teil ihres Lebens. Und sie haben sich zeitweise allein gelassen gefühlt. An dieser Art von Ernte haben manche noch immer zu knabbern.

* Und wieder andere haben ganz handfest ihre Speisekammern, Keller und Scheunen mit Naturalien wie dem grünen Gold gefüllt. Und sie sind dankbar, denn das bedeutet schließlich: Der Hof kann weiter bestehen, die Arbeiter bezahlt werden, und private Gärtner/innen können auch im Winter ihre eigenen Früchte genießen.

* In manchen unsrer Scheunen wird von allem ein bisschen vorhanden sein.

Vielleicht haben Sie bei Ihrem Rundblick auch noch anderes entdeckt. Weiter hinten, da, wo wir nicht so oft vorbei kommen. Worüber wir auch nicht so gerne sprechen, wenn von Ernte die Rede ist.

Aber Ernte ist kein Wettbewerb der Dankbarkeit!

Das, was weiter hinten liegt, prägt unser Leben genauso. Und es gehört mit zu dem, was wir Gott heute sagen wollen. Und wenn wir dafür keine Worte finden: was wir ihm hinhalten.

° Unübersehbar in einer der Ecken liegt z.B. unser Kummer.

Weil jemand aus der Familie fehlt. Oder unser Herzens-Wunsch nicht erfüllt wurde. Oder weil der Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist. Oder Beziehungen ins Wanken geraten sind.

Diese Ecke gehört im Moment dem Kummer. Und manchmal ist es erträglicher, ihn nicht mühsam verjagen zu wollen. Sondern ihm den Platz zuzugestehen. Er ist Teil unsrer Ernte und gehört jetzt grad zu uns.

° In einer andren Ecke hat sich vielleicht angesammelt, woran wir gar nicht denken wollen. Wir haben eine undurchsichtige Plane drübergelegt. Heute schauen wir auch nur von Weitem hin - und erinnern Gott an diese ungeliebte Ecke.

Ihm trauen wir zu, dass er uns eines Tages einen Weg zeigt, etwas von dem, was sich da angesammelt hat, vorsichtig aufzudecken. Für jetzt mag diese Scheunen-Ecke da hinten reichen.

° Und dann gibt es für uns noch einen Platz.

Mitten drin: Da haben wir mal - mehr im Vorübergehen - etwas hingelegt. Wir hatten es mit nach Hause gebracht und es war uns wichtig. Auch, dass es sichtbar bleibt.

Viel darum gekümmert haben wir uns nicht in den letzten Wochen. Trotzdem ist es ein Teil unsrer Scheune geblieben. Und erstaunlicherweise hat heute Morgen jemand sogar noch etwas hinzugefügt.

Wir bleiben realistisch genug, um zu wissen: Eine ganze Scheune wird die Hoffnung nie füllen. Aber sie ist da! Mittendrin. In uns. Und in allem anderen, das vielleicht eher einer Rumpelkammer gleicht.

Mittendrin heute Morgen und hier jetzt unter uns: die Hoffnung, die von Gott kommt. Hineingelegt in uns und zu unsrer Ernte in diesem Jahr.

Dazu schreibt der Apostel: „Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid!“ (Eph1,18)

Wir alle, so wie wir hier sind, mit unsren persönlichen Scheunen und dunklen Ecken, wir stehen heute Morgen inmitten von Hoffnung. Noch mag sie unsichtbar sein. Aber wir sind dazu berufen, diese Hoffnung zu sehen, sie in uns und um uns wahrzunehmen.

Dazu feiern wir Gottesdienst! Und hören: Gott gibt uns erleuchtete Augen des Herzens, damit wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir von ihm berufen sind.

Keine übernatürliche Gefühlsduselei. Gottes Hoffnung meint unser Leben im Hier und Jetzt. Konkrete Hoffnung für uns und für diese Welt.

Ich nenne mal ein paar. Und vielleicht ergänzen Sie für sich Ihre Herzens-Hoffnung:

* Da ist die Hoffnung, dass die dunkle Jahreszeit irgendwann auch wieder vorüber und das nächste Frühjahr ein gutes sein wird.

* Die Hoffnung, dass bald ein Impfstoff gefunden wird - und dieser dann ohne Unterschied allen Menschen in allen Kontinenten zur Verfügung steht.

* Die Hoffnung, dass wir uns dann wieder umarmen dürfen, Nähe spüren, ohne jemanden zu gefährden.

* Die Hoffnung, dass unsre Kinder und Enkel ein Leben führen dürfen, das diesen Namen verdient. Und das möge für alle Kinder dieser Erde gelten. Ein Leben in Frieden und Freiheit.

* Hoffnung heute besonders auch, dass wir das Teilen lernen. Denn Hoffnung gibt es nicht um ihrer selbst willen. Gottes Hoffnung will unter uns wirken; ja, sie will was zum Guten bewirken.

Dafür legt Gott immer wieder etwas in unsre Scheunen. Mittenhinein. Damit wir inmitten seiner Hoffnung stehen. Auch wenn die vielem widerspricht, was wir erleben.

Dann braucht unsre Welt erst recht Botinnen und Boten der Hoffnung. Dann braucht diese Welt Menschen, die ihre Scheunen von Gott haben füllen lassen - und ihre Ernte mit anderen teilen. Amen.

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